Stonewall Riots
kuratiert von Gerhard Hintermann
curated by Gerhard Hintermann
Ausstellung im Rahmen von “The Queer Thing” Eyduso Festivals , Zürich 2017
Die Ausstellung „Stonewall Riots“ ist ein Versuch eines fragmentierten, historischen Abrisses über die Stonewall Riots der letzten Junitage 1969 in New York City, welche zur Keimzelle der modernen LGBTIQ Menschenrechtsbewegung werden sollte.
Bis heute gelten die „Stonewall Riots“ als wichtige Referenz für unseren andauernden solidarischen Kampf gegen Homo- & Transfeindlichkeit, sowie andere Diskriminierungsstrukturen, welcher weit über den nordamerikanischen Kontinent global nachhallt.
Die Bezeichnung Stonewall Riots bezieht sich auf die„Stonewall Inn“ eine der bekanntesten Gay-Bars der 1960ger Jahren in New York City an der Christopher Street. Die Stonewall Inn Bar wurde zum Epizentrum der homophilen Untergrundszene v.a. für Cruising-Gay-Men, Drag-Queens, Trans*Menschen, Streetkiddz und Lesben.
Aufgrund des illegalisierten und prekären Status der Stonewall Inn Bar (u.A. galt ein Alkoholverkaufsverbot) und der damit verbundenen Repressalien, waren die Barbesitzer*innen in Mafia Strukturen involviert und regelmässig mussten Bestechungsgelder an die Polizei gezahlt werden.
Auch die damaligen Barbesucher*innen waren struktureller homo- & transphober Gewalt sowie diskriminierender Repression ausgesetzt. Besonders Schwule Männer und Trans*Menschen widersetzten sich durch ihre Sichtbarkeit im öffentlichen Raum den bestehenden patriarchalen Männlichkeitsbilder, womit sie verstärkt offener Gewalt ausgesetzt waren.
Es gab zu dieser Zeit kaum offizielle Organisationen für Schwule, Lesben und Trans*Menschen oder entsprechende Lobbyarbeit, die sich für deren Rechte einsetzte.
Ausnahme waren die „Mattachine Society“, eine bereits in den 1950ger Jahren gegründete Schwulen Organisation, sowie die„ Daughters of Bilitis“ , eine lesbisch geprägte Frauenorganisation dieser Zeit. Sowohl die „Mattachine Society“ als auch die „Daughters of Bilitis“ galten als die ersten grösseren Organisationen, die sich für die Rechte von Schwulen und Lesben einsetzten. Durch ihre weisse bürgerliche Perspektive, verfolgten sie allerdings eine sehr Norm-angepasste und exklusive Vorstellung von Widerstand, welche mit den emanzipatorischen Bewegungen der 1960ger Jahren im Konflikt standen.
Struktureller Rassismus, diskriminierende Unterdrückung, kapitalistische Ausbeutung und koloniale Herrschaftsstrukturen prägten das soziale Klima der 1960ger Jahre stark und führten zu einem sozialen Vakuum, dass sich in unterschiedlichen Widerstandskämpfen entlud. Nicht nur die Civil Rights Movements, Feministische Bewegungen, Student*innen Unruhen und Anti-Kriegs Proteste (im Kontext des Vietnam Krieges), sondern in besonderem Masse auch die Black-Power Bewegung sowie andere Widerstandkämpfe von Afro-Amerikaner*innen und People of Colors gegen rassistische Gewalt, prägten den politischen Widerstand der Stonewall Riot Aktivist*innen stark. Die emanzipatorischen Ansprüche und politischen Bewegungen jener Zeit überschnitten sich intersektional und waren wichtige Grundlagen für die politischen Kämpfe, die sich während und nach den Stonewall Riots formierten.
Es war in einer Vollmond Nacht vom 27. auf den 28. Juni 1969 als sich vor der Stonewall Inn Bar in der Christopher-Street in NY eine grosse Menschen Menge versammelte um gemeinsam an die Beerdigung von Judy Garland, der Sängerin des Liedes
„Over the Rainbow“, zu gedenken. Die Polizei sah sich veranlasst mit einem Grossaufgebot gegen die Gedenkfeier gewaltvoll vorzugehen und die Bar zu stürmen. Woraufhin es
zu militantem Widerstand und den Riots kam, welche sechs Nächte andauerten: die Stonewall Riots in New York City.
Marsha P. Johnson, eine Schwarze Drag-Queen und Trans- Ikone war eine der Ersten unter den Anwesenden, die sich in jener Nacht radikal gegen die Polizeigewalt stellte. Ihr Widerstand galt somit als wichtiger Auslöser der Stonewall Riots. Gemeinsam mit ihrer Genoss*in Sylvia Rivera, eine Lation@ Transgender Aktivist*in und Drag-Queen, waren die beiden in unterschiedlichsten emanzipatorischen Bewegungen und Kämpfen engagiert und organisiert. Unter anderem leisteten sie viel Unterstützungsarbeit in der Obdachlosen Community oder begleiteten Streetkiddz und junge Drag- Queens, die von Mehrfachdiskriminierung betroffen waren. Zusammen g ründeten sie die Star- Allianz ( Street Transvestite Revolutionaries), sowie die Gay Liberation Front.
Im Zuge von Gedenkveranstaltungen an die Stonewall Riots in den Jahren danach kam es zum jährliche stattfindenden„Christopher Street Day“. Wie bereits erwähnt, befand sich Stonewall Inn Bar in New York City an der Christopher-Street, wo es auch zu den historischen Stonewall Riots kam. So entstand schliesslich der bis heute gefeierte Christopher Street Day und der CSD Pride, welche mittlerweile ein wichtiger transnationaler Referenzpunkt im Kampf um LGBTIQ Rechte darstellt.
In Zürich kam es 1994 zur ersten grossen CSD Pride. Zum 25. Jubiläum der Stonewall Riots organisierten Privatpersonen Rayelle Niemann und Thomas Elias Lüttich ein vielschichtiges Kulturprogramm, im Rahmen einer zweimonatigen Veranstaltungsreihe verschiedene Workshops, Vorträge, Podiumsdiskussionen, Filme, Lesungen, Ausstellungen, Theater, Performances u.v.m. stattfanden. Dieses Engagement rund um das Gedenken an das 25. Stonewall Riots Jubiläum gab einen wichtigen Anstoss für die jährlich stattfinden Zürcher CSD Pride.
Auf dem Cover des Programmhefts der CSD Pride von 1994 in Zürich war das historische Bild der White Night Riots als Frontbild zusehen. Zu den White Night Riots kam es 1979 in San Francisco, als Reaktion auf die Ermordung des Schwulen Bürgerrechtlers Harvey Milk. Nach mehrmaliger Kandidatur wurde Harvey 1978 in San Francisco in den Stadtrat gewählt. Aufgrund homophober Diskriminierung wurde er kurz darauf erschossen. Seine Ermordung 1979 löste grosse Entrüstung in der damaligen LGBT Community aus, die schliesslich in den White Night Riots zum Ausdruck kam.
Homosexualität wird noch heute noch in rund 76 Staaten kriminalisiert. In einigen Ländern wird sogar noch mit Todesstrafe gegen Homo- & Transsexualität vorgegangen. Damit soll aber keinesfalls die rassistische Stereotypisierung eines “progressiven” Westen und dem “rückständigen” Rest reproduziert werden. Denn es erscheint uns wichtig hier hervorzuheben, dass viele der heute noch bestehenden LGBTIQ-feindlichen Gesetzgebungen in Ländern Afrikas, Asiens und dem mittleren Osten im Zuge der europäischen Kolonialherrschaft eingeführt wurden. Ebenso werden Homo- & Transfeindlichkeiten bis heute durch christliche Missionierung gefestigt. Rassistische Unterdrückung, ökonomische Ausbeutung und patriarchale Herrschaftsverhältnisse spielen zusätzlich eine relevante Rolle, welche repressive Gewaltstrukturen gegen LGBTIQ Menschen legitimieren und reproduzieren.
Die Ausstellung verfolgt eine spezifische, inter-subjektive Sichtweise, rekonstruiert aus verfügbaren Materialien, ohne die Beteiligung von Augenzeugen. Die Ausstellung basiert alleinig auf Recherchearbeiten von Schrift- & Bildquellen. Dokumentationsmaterial, wie Bildquellen, ist teilweise rar, was zum Einen auf die Lebensrealität vieler Beteiligten zurückzuführen ist; viele der damaligen Aktivist*innen, waren aufgrund homophober Repressionen dazu gezwungen ein Doppelleben zu führen , wodurch es wenig Fotodokumentationen gab, um die Anonymität von Beteiligten zu gewähren. Zum Anderen waren die technischen Mittel zur
Dokumentation beschränkt. Foto-&Filmkameras waren damals noch nicht allgegenwärtig wie heute.
Nachdem sich die Stonewall Riots sehr spontan entzündeten, begannen selbst Mainstreammedien wie die New York Times erst gegen Ende der Riots journalistisches Bildmaterial zu sammeln.
Ebenso soll darauf hinwiesen sein, dass viele der Gruppen, welche heute als wertvolle Teile der LGBTQ Community betrachtet werden, damals noch nicht entsprechend repräsentiert waren, blieben oft unsichtbar, unbenannt oder wurden zu andere Gruppen subsumiert (z.B. Bisexuelle Personen). Jede Zeit hat ihre eigene Form von Sprache und (Selbst-)Bezeichnungen. Viele der heute als evident betrachteten politischen Identitäten und Selbstbezeichnungen, waren noch kaum an die politischen Ansprüchen jener Zeit adaptiert.
• Dies ist der Ursprung der CSD: nicht nur gegen homophobe Diskriminierung -, sondern gegen jegliche normierende und unterdrückende Herrschaftsstrukturen solidarischen Widerstand zu leisten. Auch gegen strukturellen Rassismus, dem geflüchtete Menschen täglich ausgesetzt sind.
• Mit dieser Stonewall Riots – Ausstellung solidarisieren wir uns mit Allen, die sich im revolutionären Kampf für LGBTIQ Rights stark mach(t)en und gegen jegliche Formen der Unterdrückung täglich solidarischen Widerstand leisteten und weiterhin leisten.
STAY QUEER & REBEL !
Text von Rafaela Siegentaler,Timo B. und Gerhard Hintermann
Exhibition in the context of “The Queer Thing”, Eyduso Festival, Zurich 2017.
The exhibition “Stonewall Riots” is an attempt at a fragmented, historical view of the Stonewall riots, which took place the last couple of days of June in the year of 1969 in New York City. The Stonewall riots are referenced as the beginning of the modern LGTBIQ human rights movement.
The “Stonewall Riots” are an important reference for our ongoing solitary fight against homo and trans hostility as well as other discriminational structures, which are spread wide across the North American continent.
The name of the “Stonewall Riots” derives itself from the “Stonewall Inn”, a popular gay bar in the 1960es in New York on Christopher Street. It became the epicenter for the homophile underground scene, especially for cruising gay men, drag queens, trans*people, streetkiddz and lesbians.
Due to the illegal and precarious status of the Stonewall Inn (there was an law in NYC prohibiting the sale of alcohol to homosexuals) and the following repressive threats the owners of the Stonewall Inn were involved with the Mafia and paid regular briberies to the police.
The customers of the bar were subject of structural homo- and transphobic violence as well as to discriminational repression. Through visibility in public space, gay men and trans* people opposed the existing patriarchal masculine role, which heightened the threat of physical violence.
There were hardly any societies and official organisations at the time for gays, lesbians and trans* people that stood in for their rights.
The only exception was the “Mattachine Society”, a gay group founded in the 1950es as well as the “Daughters of Billitis”, a lesbian woman organisation. These were considered the first big organisation that stood in for the rights of the LGTBQI
community. Through there predominant white and bourgeois background and membership they mainly followed and propagated a very conform and exclusive form of protest, which stood in conflict with the emancipative movement of the late 1960es.
Structural racism, discriminational repression, capitalistic exploitation and colonial power structures were themes which dominated the social and political climate of the 1960es, eventually leading to a social vacuum which mostly ended in violent outbreaks. Not only the civil rights movement, feministic movements, student riots and anti war protests (in the wake of Vietnam) are prominent examples but also the Black Power movement as well as other protests by Afro-American and People of Colour against racism. These influenced the Stonewall Riot activists immensely. The emancipative demands and political movements of the time set important foundations for the political fights which formed during and after the Stonewall riots.
It was the night of the 27. to the 28. of June 1969, when people gathered in front of the Stonewall Inn Bar on Christopher Street to commemorate the death of Judy Garland, the singer of the song “Over the Rainbow” out of “The Wizard of Oz”. The police felt the need to take action and forced their way into the bar, which ended in six nights of riots.
Marsha P. Johnson, a black drag queen und trans icon was on of the first under the present who went forth violently against the police. Her resistance is therefore considered to be the beginning of the riots. Together with her friend Sylvia Rivera, a Latino trans activist and drag queen the two were involved in different activism, especially for the homeless community, streetkiddz and the young drag queen community. Together they founded the STAR alliance (Street Transvestite Action Revolutionaries as well as the Gay Liberation Front.
In train of the commemoration events of the Stonewall riots in the following years, the annual “Christopher Street Day” was established. This turned into the CSD Pride, which has become an important transnational reference point in the fight for LGBTIQ rights.
In Zurich the first big Pride was organised in 1994. The two month long event included different workshops, podiums, talk, films, reading, exhibitions, theatre, concerts performances etc.
On the cover of the program of the CSD Pride of 1994 in Zurich was shown a historical picture of the White Night Riots. These took place in San Francisco in 1979 as a reaction to the killing of gay civil rights activist Harvey Milk. After running for office several times he was elected into the San Francisco city council. Due to his sexual orientation he was short shortly after. His murder caused outrage in the LGTBQI movement, which ended in the White Night Riots.
The first CSD in Zurich took place in 1994 and was conceived as a 2 months festival. This led to the annual Pride.
Homosexuality is still criminalised in 76 states worldwide. In some countries people are still threatened with the death penalty for living out their sexual orientation. The stereotyping of a progressive “west” and a backwards oriented “rest” is by no means wanting to be reproduced here, as many of the anti LGTBQI structures in Africa, Asia and the Middle East were effectively imposed by western colonialism. Furthermore homo- and transphobia are continually secured through christian missionary work. Racist repression, economic exploitation and patriarchal power structures are continuing ways of legitimating and reproducing repressive structures against LGTBIQ people.
The exhibition follows a specific, inter-subjective viewpoint, reconstructed out of available materials without the presence of eye witnesses. The exhibition is based solely on research and written and visual sources. These (visual sources) are limited, due to the fact that many of the participants and activists had lived double lives, having to hide their identity most of their life. Therefore there is very little photo documentation, as it posed far too great a risk. Journalistic material is also rare due to a subdued interest of the press in the matter.
It remains to be said that many of the groups, which are today considered part of the LGTBIQ community were not represented and remained invisible, unnamed or subsumed to a different group (f.e. bisexuals). Every time era has its own language and its own names; many of the granted political gender identities and sexual orientations today would not be adequate at that time, as the political demands were not yet fulfilled.
With this Stonewall Riots exhibition we stand with all, who stood and still stand up for LGTBQI rights and who fight against all forms of discrimination and repression.
STAY QUEER AND REBEL!
Text from Rafaela Siegentaler, Timo B. and Gerhard Hintermann